Erinnerungen *my life*

… ich glaube in diesen Tagen eint uns mehr, als wir jemals für möglich gehalten hätten. Viele Gedanken drehen sich um die letzten 25 Jahre. Um die 28 Jahren, die davor waren. Die Zeit in der unser Land geteilt war. Für mich war das eine merkwürdige Zeit, ich erinnere mich noch sehr gut, wenn wir durch die DDR fuhren um nach Berlin zu meinen Omas zu fahren. Ich erinnere mich an die muffeligen Grenzer, die einem immer extreme Angst einflößten. Ich erinnere mich an dieses Fließband auf dem unsere Pässe vom Anfang der Grenze bis zum Ende entlangrasten. Ich hatte immer unglaubliche Angst, dass einer unserer Pässe verloren ging auf diesem komischen Weg und wir dann nicht mehr weiterfahren konnten.
Meine Pässe sind gespickt mit diesen Stempeln, die ich toll fand, weil sie immer eine andere Farbe hatten. In meinem Kinderpass ist kein cm mehr frei.

kinderpass

Ich erinnere mich an den Geruch, der irgendwie eigenartiger Weise immer mit Passieren der Grenze einsetzte. Also wäre da eine unsichtbare Wand. Im Osten roch es immer anders als bei uns. Klar nach Kohle und so aber irgendwie war da noch mehr.

Ich erinnere mich an unzählige Besuche in Ostberlin bei dem damaligen Korrespondenten des Sterns, der ein Freund der Familie war. Wann immer wir in seinem Büro in der Leipziger Straße waren durften wir nichts mehr über den Westen sagen. Mir war nie ganz klar wieso – heute weiß ich es, die Wände hatten Ohren. Ich erinnere mich an die Würstchen und die Schrippen, die immer besser als bei uns geschmeckt haben.
Ich erinnere mich an die vielen Künstlerwohnungen, die ich gesehen habe. Meine Mutter hat bis zur Wende Konzerte für Künstler aus der DDR organisiert. Das war irre spannend.

Ich erinnere mich an ein Stück Erdbeerkuchen, das ich mir bei einem Besuch in Sanssouci bestellt hatte. Ich liebe Erdbeerkuchen. Meine Mutter hatte mich noch gewarnt, ich solle lieber nur einen Streuselkuchen nehmen! Aber ich habe so lange genölt, bis sie ihn mir bestellte. Dann kam er: ein undefinierbarer Boden mit einer magentafarbenen Gelatinemasse als Erdbeerersatz – ich muss nicht sagen, dass ich ihn nicht essen WOLLTE. Und ich muss auch nicht sagen, dass ich ihn essen MUSSTE!

Ich erinnere mich an meine letzte Reise in die DDR, die ich zwei Wochen vor der Maueröffnung unternahm. Wie immer in den Herbstferien waren wir in Berlin. Gemeinsam mit einer Freundin fuhr ich auch nach Ostberlin. Wir hatten mal wieder alle Hände voll zu tun, unsere 25 DM, die wir zwangsweise umtauschen mussten auf den Kopf zu kloppen.
Das haben wir meist in Form von Bücherkäufen oder Künstlerbedarfsmaterial getan, aber irgendwie hatten wir an dem Tag den Gedanken, wir müssten essen gehen. Also betraten wir ein Restaurant am Alexanderplatz. Wir setzten uns einfach irgendwo hin. Was natürlich zur Folge hatte, dass sofort ein Kellner auf uns zugestürmt kam und uns befahl wieder aufzustehen, denn er würde uns platzieren. Sowas kannten wir nicht (nein, ich glaube, wir wollten ihn einfach auch ärgern). Also sagten wir, entweder wir bleiben hier, oder wir würden wieder gehen. Wir wurden gegangen!

last trip

Ich erinnere mich an das letzte Mal, dass ich den Übergang Friedrichstraße hinter mir lies, immer einen bangen Blick nach oben zu den Soldaten mit ihren Maschinengewehren.

Ich könnte noch viele Geschichten erzählen, ich war so oft „drüben“. Ich bin froh, dass es nur noch Erinnerungen sind. Das es nur noch Geschichten sind. Vergangenheit.

Ich erinnere mich an den Abend vom 09.11.1989, wir saßen alle zu Hause vor dem Fernseher. Die Nachrichten verkünden uns dieses UNFASSBARE, wir weinen – alle! Die Freude ist so gigantisch, dass unser Telefon noch lange klingelte an diesem Abend und dank der Tatsache, dass ich schon 18 war und Autofahren konnte hatte ich das Glück am nächsten Tag mit meiner Schwester und ihrem damaligen Freund (der besaß nämlich ein Auto) und noch 3 anderen Freunden nach Berlin zu fahren. Mein Vater war zunächst total entrüstet, denn der 10.11. ist sein Geburtstag. Aber wir trösteten ihn und sagt:“Papa, du hast jedes Jahr Geburtstag. Die Mauer fällt nur einmal!“ Und so war es zum Glück auch.

Diese 2 folgenden Tage werde ich NIE in meinem Leben vergessen.
Ich erinnere mich an eine Familie, die am Ku’damm vor dem Beate-Uhse-Laden steht. Der Vater kam von den Schaufenstern nicht weg, die Kinder nörgelten und die Mutter sagte nur ganz gelassen:“Nu, lasst den Vati doch och mal kieken!“
Ich bin auch 25 Jahre später sehr froh, dass dieses Kapitel unserer Geschichte ein so tolles Ende gefunden hat. Ein unblutiges Ende und ich hoffe, dass wir es in zwei Generationen geschafft haben, all die Grenzen aus unseren Köpfen auch endlich verbannt zu haben! Ich möchte, dass meine Kinder lernen, was war, aber dass sie auch weiterhin keine Unterschiede zwischen Ost und West machen.
Ich werde nie vergessen, wie viele staunende Augenpaare ich gesehen habe, wie viele weinende aber doch so glückliche Menschen ich sah. Ich werde nie vergessen, wie wir gemeinsam dieses Trümmerteil von Mauer mit unseren Hämmern beackert haben. Ich werde nie vergessen, wie es war das erste Mal ganz dicht an der Mauer entlangzulaufen.
Es waren tolle Tage. Die Stadt war wie verrückt! Und ich bin so froh, dass ich dabei sein konnte.

Woran denkt Ihr heute, habt Ihr auch solche Erinnerungen? Ich bin gespannt, ob Ihr sie mir verratet.